Mit dem Rad ans Meer; Nord- und Ostseeküsten-Tour. Von Castrop-Rauxel nach Heiligenhafen

Ziemlich genau im Anschluss, oder sogar noch auf der Holland-Radtour an die Nordsee (Link), nach Den Haag, habe ich den Entschluss gefasst, auch die Nord- und Ostsee Küste im Norden Deutschlands mit dem Rad zu „erfahren“. Nun musste noch der Zeitpunkt passen und dann konnte es los gehen. 

Da mein Urlaub mit der Familie nun, wohl geplant werden will und der Weg zum Ziel, Heiligenhafen an der Ostsee, ungleich länger ist als der Weg zur Niederländischen Nordsee, habe ich mit meiner Freundin die Etappen geplant. Immer in Abhängigkeit davon, wo wir auf dem Weg eine Unterkunft finden. Bin ich zur Holländischen Küste noch mit dem Zelt auf Tour gewesen, wird’s jetzt etwas Familienfreundlicher. 

Die Unterkünfte und Etappen standen dementsprechend im Vorfeld fest und ich habe schnell gemerkt, dass ich mir da ganz schön was vorgenommen habe. 

Da ich ja quasi das Glück hatte, ein Begleitfahrzeug dabei zu haben, benötigte ich dementsprechend wenig Ausrüstung am Rad. Ich glaube auch, nur so gelang es mir, die Teilweise recht langen Etappen in der angepeilten Zeit zu schaffen. Natürlich spielte die Vorfreude, den Abend mit meiner kleinen Familie zu verbringen, auch eine große Rolle.

Ich kam mit einer kleinen Lenkerrolle, einer mittelgroßen Rahmentasche, einer Toptube-Bag und einer kleinen Satteltasche für Werkzeug aus. (siehe Foto)

Etappe 1

Früh am morgen des 19.07.2021 ging es los. Mein Weg führte mich, in Richtung Waltrop/Datteln auf mir altbekannten Wegen, grob Richtung Münster. Bei schönstem Radwetter fuhr ich am Kanal entlang zur „Alten Fahrt“. Ein wunderschöner Radabschnitt an dem man sich kaum satt sehen kann.

Bei Olfen ist man eigentlich schon mittendrin im Münsterland. Weiter gehts nach Lüdinghausen über tolle, ruhige Radwege. Die Landschaft ist bis Münster relativ eintönig aber sehr schön zu fahren. Oft kreuzt mein Weg den Dortmund-Ems Kanal. Das Münsterland ist ja nun nicht bekannt für seine Berge. Nach einer kurzen Pause erreichte ich gegen Mittag auch schon die „Fahrradstadt“ Münster. Für eine relativ große Stadt, ist es als Radfahrer wirklich sehr entspannt. Die Autos fuhren umsichtig und man merkte, dass man hier Radfahrer gewöhnt ist.

Was mir an Münster nicht so gut gefallen hat ist, dass die Radwege oft über Bürgersteige führen, die aufgrund der Pflastersteine oder Gehwegplatten doch recht ruckelig sind. Für den Urbanen Radfahrer bestimmt völlig ok, wird es allerdings recht unangenehm zu fahren, wenn man bereits um die 60km in den Beinen und im Popo hat, und die einzige Federung am Rad, die dicken Reifen sind. 

Hinter Münster fuhr ich in Richtung Ibbenbühren bei Osnabrück über gut fahrbare Radwege, weiter durchs flache Land. Kurz hinter Mettingen erreiche ich auch schon die Grenze zu Niedersachsen. Durch tolle Landschaften mit gut fahrbaren Radwegen gehts unter anderem durch die Düsterdieker Niederung, vorbei an Neuenkirchen und Ankum.

Die Gegenden sind schön aber ich habe nicht allzu viel Zeit zum Fotos schießen. Heute Abend will ich rechtzeitig im 166 km entfernten Lindern bei Oldenburg ankommen. Die Herberge für die Nacht wird die wunderschöne „Alte Molkerei“ sein. Ein richtig schönes Bed & Breakfast Hotel in der kleinen, unscheinbaren Stadt Lindern. Die Besitzer sind total lieb und das Frühstück grandios. Trotz der Abgelegenheit des schicken Örtchens sind wir nicht die einzigen Gäste die sich hierher verirrt haben. Nach guten 9,5 Stunden erreiche ich mein Ziel. 

Etappe 2

Gut erholt und frisch gestärkt geht es am nächsten Morgen weiter. Meine kleine Tochter und meine Freundin lassen sich etwas mehr Zeit, aufzubrechen. Schließlich ist es für die beiden mit dem Auto von Lindern aus, nicht mehr weit bis Cuxhaven, was ich mir als das nächste Ziel für den 2. Tag der Tour gesteckt habe.

Schon lange vor Lindern wurden die Landschaft und die Häuser deutlich „nordischer“. Meine Route führte mich dort ebenfalls durch kleine Dörfer und über Feldwege. Bisher war alles recht gediegen zu fahren. Großartige Anstiege hatte ich schließlich auf meinem Weg zur Küste nicht zu erwarten. Den 1. Tag der Tour hatte ich noch merklich in Po und Beinen. Keine Frage, ich musste es heute etwas langsamer angehen lassen.

Auch am 2. Tag war mir Petrus wohl gesonnen und ich fuhr die Strecke bei bestem Fahrradwetter. Es war bewölkt, blieb aber trocken. Die Landschaft um Friesoythe, welche die nächst größere Stadt nach Lindern war, ist wunderschön und kann mit tollen Radwegen durch Wälder und Wiesen begeistern. Ein Absolutes Highlight der Tour war die Moorlandschaft um Edewecht herum. Auch dort wieder durchdachte und schön geführte Radwege. 

In Wiefelstede war es dann Zeit für einen Kaffee. Gesagt getan. So langsam kam es mir vor, als könnte ich das Meer bereits riechen. Das war allerdings nur Einbildung, denn bis zum Meer war es dann noch ein Stückchen. Grob ab Edewecht konnte die Landschaft ihre Friesischen Wurzeln nicht mehr verleugnen. Es gab riesige, alte Windmühlen zu sehen und Häuser mit dem traditionellen Reetdach.

Durch Naturschutzgebiete ging es geradewegs zum Jadebusen. Wow. Das ging ja schnell, dachte ich. Da ist ja schon das Meer. So richtig stimmte das allerdings nicht. Zumindest war gerade Ebbe als ich den ersten Deich erreichte und mich aufs Meer freute. Dennoch war ich ziemlich stolz, so weit gekommen zu sein und brauchte nun dringend ein kühles Radler. Danach ging es weiter über traumhafte Radwege direkt am Jadebusen. Bei Flut waren diese wohl nicht zu befahren, wie ich an den Resten von Meeresgestrüpp erkannte, die auf den Wegen lagen.

Zwischen Schafen und Kühen ging es nun, mit reichlich Gegenwind, unaufhaltsam Richtung Cuxhaven an der Nordseeküste. Ich war aufgeregt weil ich heute meine erste Fährfahrt mit dem Rad erleben sollte. Es ging von Nordenham bzw. Blexen rüber über die Weser, nach Bremerhaven. Ich war gut in der Zeit und recht sicher, dass ich noch eine Fähre erwische. Ich hatte Glück und kam für etwa 3.- mit dem Fahrrad über die Weser. Endlich auf nem Schiff. Das war nun wirklich ein tolles Gefühl. Man konnte die Nordseee sehen und mittlerweile auch deutlich riechen.

Bremerhaven empfing mich gleich mit sehr grobem Kopfsteinpflaster. Das liegt dort überall am Hafen und zeugt nunmehr von der langen Geschichte der Hafenstadt Bremerhaven. Tolle Hanseatische Gebäude und Denkmäler lagen auf meinem Weg. Leider wurde auch der Gegenwind stärker.

Allerdings führte mich meine Route nun direkt am Meer entlang. Zwischen Kühen auf beweideten Deichen fuhr es sich sehr schön. Ich brauchte nun dringend mein 1. Matjesbrötchen der Tour. Das erhielt ich auch kurz hinter Bremerhaven, an einem Deich Imbiss. Das Beste Matjesbrötchen, das ich je gegessen hab. 😉

Die letzten Kilometer vor Cuxhaven ließen sich für mich nur noch liegend im Unterlenker fahren, da die 168 km, und dann noch der starke Gegenwind, reichlich an meinen Nerven und meiner Kraft zerrte.

Ich freute mich aber so sehr auf Cuxhaven, eine Stadt in der ich als Kind mit meinen Eltern oft im Urlaub war, und auf meine Familie, dass die Strapazen schnell vergessen waren, als ich nach guten 10 Stunden, am frühen Abend das gebuchte Hotel erreichte.

Das Hotel war eine richtige Hafenspelunke in dem es nach billigem Fusel und Zigaretten roch. Dennoch war ich froh, ein richtiges Bett für die Nacht zu haben. Kaum in Cuxhaven angekommen, änderte sich das Wetter und es fing an zu regnen.

Mit meiner Freundin habe ich beschlossen, dass wir den nächsten Morgen zusammen mit unserer Tochter in Cuxhaven bzw. am Strand verbringen. Das war eine gute Entscheidung, zumal für den kommenden Tag lediglich 50 km geplant waren, um bis zur Elbe Fähre zu kommen, die meine Freundin mit dem Auto, und ich mit dem Rad nehmen mussten. 

Etappe 3

Am nächsten Tag erwartete mich bei bestem Wetter, einer der schönsten, wenn nicht sogar der schönste Abschnitt der Tour. Direkt am Meer entlang, über die bekannten Deichradwege führte mich meine Route. Gegen Mittag brach ich auf, Richtung Otterndorf. An einigen Leuchttürmen vorbei, radelte ich der Brücke über die Oste entgegen. Der Eindruck, dass der Norden die Kornkammer des Landes ist, zementierte sich beim Anblick der Felder um mich herum. So weit das Auge reicht, Korn und Rapsfelder.

Und eben die Landwirtschaftlich genutzten Deiche, welche allesamt zum Naturschutzgebiet erklärt wurden. Die Landschaft wurde zunehmend von Flüssen geteilt über die man radelt. So auch über die Oste. An der Brücke angekommen, realisierte ich, dass es eine Hängebrücke ist, und diese nur zu bestimmten Tageszeiten zu befahren ist. Da ich erst am späten Nachmittag dort ankam, war es für mich leider nicht möglich, an dieser Stelle die Oste zu überqueren. Zum Glück fand ich in der Nähe der Brücke ein Museum, welches geöffnet hatte, und eine freundliche Dame erklärte mir eine alternative Route, um meinem Etappenziel Freiburg (an der Elbe) näher zu kommen. 

Nach einem kleinen Umweg mit schmalen Pfaden durch kleine Waldstücke und wunderschönen Dörfern erreichte ich nach guten 2,5 Stunden und etwa 50 km die schönste Bleibe der Tour. „Gut Schöneworth“. Ein bezaubernder, alter Gutshof, zu einem Hotel umgebaut, mit einem wunderschönen Biergarten. Außerdem war dieses Hotel das bisher Fahrradfreundlichste Hotel.

Für mein Bike war es an der Zeit ein wenig Pflege zu bekommen, nach den ganzen Kilometern die es mich bisher getragen hat. Dazu kommen die teilweise etwas sandigen Deichradwege und die salzige Seeluft. Erstmal sauber machen und die Kette ölen. Dafür schenkte mir das Hotel freundlicherweise ein altes Handtuch und einen Lappen. Es gab eine riesige Scheune, die ausschließlich für die Unterbringung der Fahrräder der Gäste gedacht war. An jedem Abstellplatz in der Scheune befand sich eine Steckdose. Das fand ich ziemlich cool.

Das Gut Schöneworth fuhren scheinbar einige Radreisende an, und so erkannte ich ein älteres Ehepaar wieder, dem ich lange vorher auf dem Rad begegnet bin. Für meine Tochter gab es einen riesigen Sandkasten und einige Spielsachen zum spielen. Das Essen dort war ebenfalls toll und so verbrachten wir dort einen schönen Abend im Biergarten und eine entspannte Nacht in einem schönen Zimmer im Dachboden einer alten Scheune. Absoluter Reisetipp. 

Etappe 4

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es los Richtung Elbefähre. Mit dem passieren der Elbe per Schiff, war es quasi auch nicht mehr die Nordsee und auch nicht mehr das Ostfriesische Flachland, welches zu befahren war. Mit der Fähre in Glückstadt angekommen, ging es gleich über tolle Radwege Richtung Wankendorf, welches die letzte Übernachtung vor dem großen Ziel, Heiligenhafen an der Ostsee sein sollte.

Über Bad Bramstedt und Neumünster führte mich meine Route. Die Landschaft veränderte sich merklich. Es wurde deutlich hügeliger an manchen Stellen, und die Landschaft wurde etwas abwechslungsreicher. Leider wurde es auch windiger. Aber dennoch hatte ich richtiges Glück mit dem Wetter. Meine Regenjacke, die ich die ganze Zeit in der Rahmentasche mitschleppte, sollte, bis auf Cuxhaven, während der Tour nicht mehr zum Einsatz kommen. Das ist mal ne Ansage.

Durch kleine, süße Reetdach-Dörfer und über Feldwege ging es durch das schöne Neumünster. Die Landschaft war deutlich „zerklüfteter“ und bergiger und meine Route führte mich über schöne Waldtrails, an Seen vorbei zum kleinen Dorf Wankendorf. Dort verbrachten wir die Nacht im Hotel Schlüter und ließen es uns Abends im Hotel Restaurant schmecken. Nach weiteren 90 km am 4. Tag schlief ich wie ein Baby, gerade mit der Vorfreude auf den 5. Tag der Tour, an dem ich endlich die Ostseeküste, und somit Heiligenhafen erreichen sollte. 

Etappe 5

Da es keine Zufälle gibt, meinte es das Schicksal eben wieder gut und es sollte sich als äußerst klug herausstellen, dass der Umfang der zu fahrenden Kilometer zum Ende der Tour deutlich abgenommen hat. Dank geht an meine Freundin, die die Unterkünfte gebucht hat, und somit deutlichen Einfluss auf die länge der einzelnen Etappen genommen hat. Ich habe ihr lediglich die Route durchgegeben und Sie hat danach die günstigsten oder schönsten Unterkünfte in den Dörfern organisiert.

Los ging es für mich nach dem Frühstück gegen 10 Uhr. Direkt hinter Wankendorf fuhr ich am Stolper See vorbei. Über tolle Radwege, teils an der Bundesstraße, teils durch Felder und Wälder, ging es Richtung Plön und damit durch eine tolle Seenlandschaft mit Hanseatischer Kultur und Bauweise. Möwen begleiteten mich immer wieder auf dem Weg. Auch große Greifvögel bekam ich reichlich zu sehen. Die Aussicht auf die Seen oder die Möglichkeit den Blick über unendliche weiten schweifen lassen zu können, machte den letzten Tag der Tour sehr besonders. Die Hügelige Landschaft und der Gegenwind forderten aber nochmal meine volle Aufmerksamkeit.

Die Landschaft um Plön herum stellte sich auch da als absolutes Highlight heraus. Eine schöne Mischung aus flachen Ebenen und leichten Anstiegen machte richtig Spaß. Kurz hinter Rantzau wurde die Landschaft deutlich kahler und vermittelte den Eindruck einer Heidelandschaft. Dieser Eindruck setzte sich fort, bis ich endlich wieder das Meer sehen konnte. Diesmal war es die Ostsee.

Schöne, geteerte Radwege an Schnellstraßen, führten mich geradewegs und ohne Umschweife Richtung Weißenhäuser Strand. Als ich in die Nähe der Küste kam, roch man bereits die Brandung und die deutlich wildere Ostsee breitete sich vor mir aus. Erst nur durch kleine Lücken in der Vegetation oder dem Gebüsch am Wegesrand sichtbar, sah ich im Naturschutzgebiet des Weißenhäuser Strands die Ostsee in Ihrer vollen Pracht. Es wurde wieder Zeit für eine Pause bei Kaffee und einer Norddeutschen Spezialität. 

Vom Weißenhäuser Strand bis nach Heiligenhafen ist es im Grunde nur ein Katzensprung. Aber die letzten Kilometer der Strecke zogen sich wie Kaugummi. Die Landschaft und die Seeluft waren natürlich hervorragend, aber ich wollte sehr gerne ankommen und freute mich auf meine Familie inklusive meiner Eltern, welche wir besuchen wollten.

Über wunderschöne, ausgebaute Radwege ging es nach Heiligenhafen. Die Naturschutzgebiete um Heiligenhafen laden dazu ein, diese mit dem Rad zu erkunden. Im Sommer, zur Rapsblüte, ist die Kulisse einfach traumhaft. In Heiligenhafen angekommen, fuhr ich gleich zum Hafen und wurde durch einen Mundharmonika Spieler begrüßt der dort Shantys spielte. Ich habe mich natürlich zum obligatorischen „Zielfoto“ aufgestellt und vorbeilaufende Touristen gebeten, ein Foto von mir vor der Hafenkulisse zu machen. Ich war überglücklich und freute mich, endlich angekommen zu sein.

Fazit

Eine wunderschöne Radtour, die ich jederzeit wieder fahren würde. Die Route war nicht zu anspruchsvoll aber auch nicht zu eintönig. Ich habe die Route mit der Komoot App geplant, und bin wieder mal sehr zufrieden. Nur sehr wenig musste ich an der Route optimieren. Zwar wollte ich auch eine schöne Strecke fahren, war allerdings nicht bereit, dafür einen Riesen Umweg oder schwer fahrbare Trails in Kauf zu nehmen.

Ich hatte ohnehin Respekt vor der Kilometerleistung und dachte mir, dass ein Mittelding schon ganz ok wäre. Ich wollte unbedingt über die Nordsee zur Ostsee weil ich keine Lust hatte, die ganze Zeit übers flache Land, nach Heiligenhafen zu fahren. Diese Entscheidung habe ich im Nachhinein absolut nicht bereut. Außerdem war es auch ein Familienurlaub, der trotzdem nicht zu kurz kam.

Als wir dann die Zeit an der Ostsee verbrachten stellte sich auch heraus, was für ein Glück ich mit dem Wetter gehabt haben musste. So viel Sonnenschein wie auf den Etappen an Nord- und Ostsee gab es da nämlich nur noch selten.

Zurück in den Pott ging es natürlich zusammen mit den beiden Mädels mit dem Auto. Das Rad (oder die Räder) haben Platz am Heck genommen. 

wie immer würde ich mich über Kommentare und Anregungen freuen!

Danke dir für deine Aufmerksamkeit und allzeit gute Fahrt!

Und hier die Komoot-Links zur Tour:

Etappe 1

Etappe 2

Etappe 3

Etappe 4

Etappe 5

Der Hype ums Gravelbike

Was ist denn ein Gravelbike?

Ich bin sicherlich kein Rad- oder Gravelbike Experte. Ich bin lediglich ein leidenschaftlicher Fahrradfahrer der sich recht lange mit dem Thema Fahrradgattungen und den vielfältigen Angeboten am Markt auseinander gesetzt hat. Und wie bei den meisten Leuten war der Grund, eine eventuelle Neuanschaffung. Und natürlich wurde ich Regelrecht überwältigt, als ich versuchte, das für mich perfekte Fahrrad zu finden.

Vorab:

Nach einer langen Radtour von meiner Haustür zur Nordseeküste in Holland (mein erster Blog Beitrag) fielen mir viele Dinge an meinem Tourenrad auf, mit denen ich nicht zufrieden war. Zum Beispiel fahre ich viel lieber und öfter auf unbefestigten Wegen, als es mit meinem Trekking-Rad möglich oder angenehm war. Außerdem gefiel mir meine Schaltung bzw. Übersetzung überhaupt nicht, ich hatte mit schmerzenden Handgelenken und eingeschlafenen Gliedmaßen zu kämpfen, das Fahrgefühl war schwammig bis schwergängig…und so weiter. 

Ich muss sagen, dass ich auch nicht unbedingt das beste Trekking-Rad besitze und das alles auch mit einem, von der Geometrie und der Komponenten passenden Trekking-Rad verbessert hätte werden können, aber wie es halt immer so ist…

Meine Definition:

Bei meiner Recherche nach einem Tourer wurde ich immer wieder auf dieses neuartige „Gravelbike“ aufmerksam gemacht. Eigentlich garnicht mein Fall. Aber anscheinend ist das grad voll In. Was ist das überhaupt? Ein Rennrad mit dicken Reifen!? 

Und das ist das interessante am Gravelbike; so richtig definieren klappt nur bedingt zufriedenstellend. Fast alle namhaften Hersteller scheinen mittlerweile auf den Hype aufgesprungen zu sein und interpretieren das Thema Gravelbike meist für sich, relativ frei. 

Oft ist es das Thema „Freiheit“ gepaart mit dem für mich ebenfalls neuen Begriff des „Bikepackings“. Aber das habe ich doch grad erst hinter mir. Das war für mich aber einfach eine Fahrradtour mit Gepäcktaschen. 

Ich fand heraus, dass die für mich verständlichste Definition diese ist, dass das Gravelbike die perfekte Mischung zwischen Road- und Mountainbike darstellt. Die Geometrie ist nicht so sportlich wie auf einem reinen Roadbike, die Reifen sind deutlich breiter und weisen meist Profil auf, und der Rennrad Lenker hat sogenannten „Flare“. Heißt, dieser geht im Bereich des Unterlenkers meist deutlich nach außen weg um damit mehr Kontrolle und Sicherheit im Gelände zu generieren. Ah Gelände…das hat mich getriggert. Ebenso wie eine entspanntere Geometrie und die oft beworbene Touren bzw. „Endurance“-tauglichkeit. (Endurance; wieder ein neues Wort für Langstrecke) 

Nach weiteren Recherchen fand ich heraus, dass das Gravelbike ja eigentlich nix neues ist und es früher gang und gebe war, dass man dickere Reifen auf den Strassenrenner gezogen hat um damit im Winter zu trainieren oder eben über unbefestigte Wege zu fahren. Der Begriff „Gravel“ kommt übrigens aus dem englischen und bedeutet nichts anderes als „Schotter“/„Geröll“. Mein Interesse war längst geweckt. Dazu kam dann noch, dass ich, wenn ich das Thema Fahrradtouren bzw. Bikepacking in den Browser eingegeben habe, anscheinend viele erfahrene Biker ihre Ausfahrten oder Touren mit so einem Gravelbike bestreiten. Sobald man dann noch auf Fahrrad Blogs oder Foren stößt um sich mit der Materie zu beschäftigen, kommt man an dieser Radgattung nicht mehr vorbei. Etliche Marken bieten nun ihre Definition eines Schotter-Rades an und ich wühlte mich durch die Flut an Materialien, Bauweisen und Komponenten die Langlebigkeit versprechen. Das, so habe ich gelernt, wird mir an meinem nächsten Rad wichtig sein. Interessant auch, die 1×11 Schaltung die Serienmäßig an vielen Rädern dieser Gattung verbaut ist. Auf langen Touren merkte ich immer wieder, dass ich keine 3 Kettenblätter benötige.

Die Auswahl:

Dann war es endlich so weit. Ich hatte mir erstmal einen Überblick verschafft und wollte nun endlich mal so ein Teil Probefahren. Ab in den Radladen meines Vertrauens und nach Rennlenkern Ausschau gehalten. Und da war dann auch ein kleines Angebot zu finden. Zu klein für meinen Geschmack. Aber immerhin konnte man mal ein Tourenrad mit Rennlenker fahren. Das war in meinem Fall zuerst ein Bergamont Rad. Ausgestattet mit Schutzblechen und Gepäckträger und an der Gabel einen Lowrider. Ein perfektes Tourenrad wie es scheint. 

Nach den ersten Metern war ich total begeistert. Es fuhr sich sehr agil, die Schaltung war super zu gebrauchen und intuitiv zu bedienen. Die Sitzposition absolut nicht unangenehm. Damit eine längere Zeit unterwegs zu sein, konnte ich mir direkt vorstellen. Nun kam ich bei meinen Recherchen natürlich an den verschiedenen Materialien nicht vorbei und wusste für mich recht schnell, dass Alu als Rahmenmaterial nichts für mich ist. Mein Trekking-Rad ist aus Aluminium und auf Dauer wirklich harsch und unangenehm. Trotz einer gefederten Sattelstütze merkt man wirklich jeden Stein. Die etwas breiteren Reifen bei meinem ersten Testrad kamen mir da natürlich schon sehr entgegen, was den Komfort angeht. 

Carbon kam für mich eigentlich nicht infrage weil Räder aus diesem Werkstoff verdammt teuer sind und mit der angestrebten Ausstattung mein Budget sprengen. Steel is real hab ich gedacht und wollte unbedingt einen Stahl-Graveller fahren. Das war hier in der Provinz allerdings garnicht mal so einfach. So recherchierte ich weiter und kam schnell darauf, dass es mittlerweile viele kleine, feine Läden gibt die sich geradezu auf Rennrad und Gravelbikes spezialisiert haben. Dazu zählen zum einen die „Schicke Mütze“ in Düsseldorf oder „Staub&Teer“ in Köln. Dort zog es mich also als nächstes hin. Eine Probefahrt mitten in einer Großstadt ist zwar nicht so prickelnd, hat aber gereicht um mich restlos für diese Gravelbikes zu begeistern. Ich bin also auf einem Genesis Stahlrad gefahren, dem Fugio 20, bei der „Schicken Mütze“. Toller  Laden, tolle Beratung. Ich habe mir wirklich Zeit genommen und verschiedene Modelle dieser Marke getestet. Bereits dort merkte ich, dass es anscheinend gerade echt der letzte Schrei ist, so ein Bike zu fahren. Das Angebot in meiner Größe hielt sich, bis auf Genesis, echt in Grenzen und es ist auch erstmal nicht wirklich mehr etwas lieferbar. (Man muss sagen, dass ich auch leider mitten im Sommer auf die Idee kam, den Läden einen Besuch abzustatten) 

Da ich gerne einem deutschen Hersteller den Zuschlag geben würde entschloss ich mich, noch bei „Staub&Teer“ in Köln vorbei zu fahren weil dort wohl einige Räder der Marke „Bombtrack“ rum stehen würden. Dem war auch so, leider nicht in meiner Größe. Alles ausverkauft. Besser auf die neue Saison warten und die 2021 Bikes ckecken!? Auch dort bin ich einige Räder Probe gefahren und konnte den Direktvergleich von Alu zu Stahl machen. Das hat mich enorm weiter gebracht weil ich wusste; Stahl muss es sein. Der Sommer neigte sich dem Ende und meine Lust aufs Radfahren und vor allem auf ein neues Bike wurde schier Grenzenlos nachdem ich wieder einmal alle möglichen Komponenten an meinem Tourenrad änderte um vergebens den Fahrkomfort zu erhöhen. 

Meine Vorlieben:

Alles was ich im Auge hatte, und worüber ich im Netz viel gutes gelesen habe, war ausverkauft oder momentan nicht lieferbar. Sehr frustrierend. 

Dann bin ich auf die Marke „Kona“ gestoßen, die im MTB Bereich einen guten Namen haben und anscheinend ein Stahl Bike im Programm haben, welches alles das besitzt was ich mir so vorstelle. Eine 1×11 Schaltung von Sram, Stahlgabel, (mittlerweile eher selten bei den neuen Rädern. Carbongabeln scheinen der letzte Schrei zu sein) Mechanische Scheibenbremsen von denen viele erfahrene Fahrer in hohen Tönen sprechen, genügend Anschraubpunkte für Gepäckträger, Schutzbleche etc. und eben Style. Auch nicht ganz unwichtig bei nem neuen Fahrrad. 

Also machte ich mich auf die Suche nach Händlern die Kona Bikes zum Probefahren auf Lager hatten. Fündig wurde ich im fahrrad.de Store in Dortmund. Hm…eine große Kette…doof. Egal, erstmal hin und Probe fahren. Und das Kona Rove ST war sogar in verschiedenen Größen da. Super! Und sogar einige andere Räder in verschiedenen Materialien und Preisklassen. Ziemlich lange bin ich wie ein Irrer auf dem großen Parkplatz rum gefahren. Salsa, Rondo, Bergamont…alles war dabei. Aluminium, Stahl… aber das Kona hat es mir angetan. Agil wie eine Antilope, gemütlich zu fahren, tolles Handling. Ich habe mich direkt zu Hause gefühlt. Habe gleich 2 Größen ausgiebig probe gefahren. (das kann ich übrigens nur jedem empfehlen, der sich ein neues Rad kaufen möchte) ich wollte dennoch gerne eine Nacht drüber schlafen und am nächsten Tag wieder kommen und die engere Auswahl nochmal in verschiedenen Größen fahren.

Und auch am nächsten Tag war es das Kona Rove mit der etwas ausgefallenen Lackierung. Ein ziemlich eigenständiges Violett. Sogenanntes „Ultraviolet“. Die Komponenten sagten mir zu, die Optik war perfekt und meine Entscheidung stand fest. Preislich war es auch absolut in meinem Budget. Nach einiger Verhandlung schlug ich noch die benötigten Anbauteile wie Pedale, Flaschenhalter, Licht, Asssaver etc. heraus und das Ding war geritzt. Die Werkstatt baute mir die Teile an und ich konnte es kaum erwarten, mit dem Ding in den Wald zu fahren.

Die erste Ausfahrt:

Wie auch schon im Laden, war ich begeistert von der Optik und vom Komfort den es mir direkt geboten hat als ich die ersten Meter gefahren bin. Auf den heimischen Waldwegen wurde es schier unglaublich wie agil so ein Gravelbike ist (im Vergleich zu einem schweren Trekking-Rad) und wie sicher man damit selbst auf MTB Trails unterwegs ist. Ein Traum wurde wahr. Ich konnte die Wege ballern, die ich immer schon fahren wollte. Und das in einem Tempo und mit einer Sicherheit die mir bis dahin nur vom Mountainbike bekannt war. Aber das ganze deutlich agiler und schneller. Ich bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. 

Ich wollte mit dem Bike auch meinen Arbeitsweg bestreiten. Auch der Winter, Waldwege oder ähnliches sollten mich nicht aufhalten können. Und so ist es auch heute noch, 4 Monate nachdem ich die ersten Meter mit dem Rad gefahren bin. Bereits 2500km habe ich seit ende Juli mit dem Bike unter die Räder genommen und es macht jeden Tag noch etwas mehr spaß damit zur Arbeit zu fahren, über unbefestigte Umwege zurück zu fahren, tolle Tagestouren zu machen…ich bin begeistert. Leider befinden wir uns ja seit Anfang des Jahres in der Corona Pandemie und bisher kam es noch zu keiner mehrtägigen Radreise. Allerdings weiß ich, dass es mit dem Rad ein Riesenspaß wird und hoffe, dass die Welt im Jahr 2021 wieder anders aussieht. Ich denke, man merkt dem Blog Beitrag meine Begeisterung für das neue Fahrrad an. 😉

Auf dass ich euch in 2021 über meine sogenannten Bikepacking-Trips berichten kann.

Ich habe diese Zeilen geschrieben weil ich bestimmt nicht der einzige bin, für den diese Fahrradgattung absolutes Neuland war und ich damit vielleicht eine Entscheidungshilfe sein kann. Oder ein Ansporn, oder eine Inspiration. 

Ich hoffe, der Funke ist übergesprungen. Hinterlasst mir doch gerne einen Kommentar. 

Kette rechts, 

Maik

Der Confidential Gravel Ride 2020

Am 12. September war es endlich soweit; mein erstes „Gravel-Event“ stand an. Und zwar war es nichts geringeres als der „Confidential-Gravel-Ride“, gescoutet und veranstaltet von Thomas, aka Bikingtom (www.bikingtom.de). 

Viele Infos dazu gab es im Vorfeld nicht. Nur die, dass es sich um etwa 100km handeln wird und sich die Höhenmeter im 4-stelligen Bereich bewegen. Ok. Das klingt nach einer Herausforderung für meine erste Teilnahme an einer Gruppen-Radtour. Der Track wurde, um die Spannung hoch zu halten, erst am frühen morgen des 12. September veröffentlicht. 

Los gehen sollte es um 8.30 Uhr in Essen auf einem Wanderparkplatz. Ganz Corona-Konform war zum einen die Teilnehmerzahl auf 25 Personen limitiert, und die Starts erfolgten im Abstand von 70 Sekunden. Das heißt, dass man nicht wirklich in Gruppen unterwegs war. Außer der Maskenpflicht am Startpunkt wurde auch Desinfektionsmittel bereit gestellt, welches man auch zu benutzen hatte bevor man sich in die Liste der anwesenden Teilnehmer eintrug. Toms reizende Familie kümmerte sich um alles. Es gab Kaffee, Obst, Riegel, Getränke und ein ziemlich cooles Goodie-Bag mit einer Jutetasche von Antidot Bikecare mit jeder Menge sinnvollen Zubehör. Sehr cool. Danke dafür nochmal, lieber Tom. 

Ach, ja; Die Startgebühr für den Confidential-Gravel-Ride betrug lediglich 5 €. Für das, was geboten wurde, ein mehr als attraktives Startgeld. 

Der Ride

Los ging’s in Essen im Stadtteil Fischlaken, in der Nähe des Baldeneysees. Bei meiner Ankunft durfte ich gleich die vielen, tollen Bikes begutachten und die sehr professionell aussehenden Fahrer der Gravel Maschinen. Da dachte ich bereits; „oha, ob ich mir da nicht etwas zu viel zugetraut habe!?“ Gefreut hat es mich, als auch Jule von jule-radelt.de auftauchte. Ihren Blog verfolge ich schon eine ganze Weile, sowie ihr Instagram Profil in welchem sie tolle Bilder und Storys ihrer Touren teilt. Auch Tom und seine Familie waren schon da und an Toms teuflischem Grinsen erkannte ich; das wird heute kein Zuckerschlecken. 

Kurz das Bike ausgepackt, nochmal alle Taschen auf Vollständigkeit geprüft, mich in die Liste eingetragen, das Goodie-Bag abgestaubt und schon stand ich an der Start/Ziel Linie. Den Track lud ich frühzeitig aufs Wahoo. Ich war bereit. Ein IPad bzw. Toms Sohn zählte die Sekunden runter und die ersten Fahrer-innen gingen auf die Piste. Erstaunlicherweise war Jule die einzige Frau unter den 24 Teilnehmern (einer hat aufgrund technischer Probleme kurzfristig abgesagt). Ich hätte mit deutlich mehr Mädels gerechnet. Ich hatte die Startnummer 20. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich in die Pedale treten durfte. Ich war doch recht aufgeregt. Die ersten paar hundert Meter hatten es auch direkt faustdick hinter den Ohren. Ohne sich warm fahren zu können ging es über Feldwege steil bergauf. Was hat „er“ sich nur dabei gedacht, war mein erster Gedanke und ein paar Flüche konnte ich mir nicht verkneifen. 😉

Die Landschaft entschädigte aber zum Teil diese Strapazen. Das, auf was ich achten konnte war sehr schön und ich fragte mich direkt, wieso ich meine Jacke noch anhatte. Das fragte sich wohl auch Jule die mich gleich am ersten Anstieg überholte und mit einem breiten grinsen fragte, ob mir noch kalt sei nach diesem Anstieg. 🙂 

Weiter ging es über Berge, Felder, über Trails, Höfe…und das bei bestem Bike Wetter. Die ersten Kilometer haben schon einen ziemlich guten Überblick darüber gegeben, worauf wir uns hier eingelassen haben, dachte ich…

Richtig knackige Anstiege kamen auch, als wir an Velbert vorbei Richtung Wuppertal unterwegs waren. Es war ein einziges auf und ab. Unfassbar, wieviele Höhenmeter man im Ruhrgebiet sammeln kann. Nach einem Berg kommt bekanntlich ein Tal. An diesem Umstand konnte auch Tom nichts ändern und die Abfahrten hatten es in sich. Sehr rasante, steile, Gravel Träume über Wirtschaftswege und Waldpisten. Und so kam es, wie es kommen musste; mein erster Platten. Bei einer rasanten Abfahrt muss ich über zu viele spitze Steine geprescht sein. Den Platten merkte ich glücklicherweise, als ich an einem Bauernhof mit kleiner Siedlung vorbei kam. Ich hatte zwar Schläuche dabei, aber wie ich feststellen musste, keinen passenden Inbus um meine Steckachse zu lösen. Klassischer Anfängerfehler. Gleich darauf wurde mir klar; ne Luftpumpe haste auch nich dabei. Zweiter, klassischer Anfängerfehler direkt abgefrühstückt. Super. Soll ich mir n Taxi nehmen? War’s das jetzt? Krieg ich das hin, den Schlauch zu wechseln? Ich wurde nervös. 

Kurzerhand bin ich umgedreht und zu dem Hof gefahren, an dem ich grad noch mit deutlich zu wenig Bar im Reifen vorbei gefahren bin. Zwei Typen saßen vor dem Hoftor. „Habt ihr zufällig ne Luftpumpe?“ „Ne. haben wa nich!“ Im Hintergrund eine große Standpumpe mit Manometer. Egal, dachte ich. Abbrechen war jetzt schon kein Thema mehr. 

Einige Meter entfernt stand ein Wohnhaus. Kurzerhand habe ich dort angeklingelt und ein deutlich sympathischerer Typ machte die Tür auf. „Ähm, haben Sie zufällig ne Luftpumpe? Und n Inbusschlüsselsatz?“ Auf dem Weg zu seiner Garage erklärte ich ihm die Situation. Zum Glück hat er schonmal einen Schlauch gewechselt und sogar passendes Werkzeug und ne Pumpe. Für meine Psyche ein absoluter Glücksfall. Mein Puls beruhigte sich, und wir wechselten gemeinsam meinen Schlauch. Garnicht so schwer. 🙂 Er gab mir sogar noch eine CO2 Kartusche mit, falls mir sowas nochmal passiert. Zumindest könnte ich dann nach pumpen wenn ich schon nicht meine Achse raus nehmen kann. Ich bedankte mich und fuhr fix los. Bei dieser Zwangspause überholten mich zwei Fahrer die beim Confidential Ride mitmachten. 

Gleich darauf ging es auch im selben Turnus des up and downs weiter und mich erwarteten übelste MTB Trails in einem Waldstück. Glück gehabt. Ich hatte richtig Bock. Die Landschaft wurde auch immer schöner und mittlerweile war ich sogar in der Lage, diese wahr zu nehmen. Über wunderschöne Gravel Straßen mit toller Aussicht fuhr ich dahin. Ich jauchzte. Meine Wasservorräte gingen langsam zu neige. Aber der Checkpoint musste gleich kommen und nach etwa 50km war es auch so weit. Fast wäre ich dran vorbei gefahren. Aber dann sah ich ein unauffälliges Banner des Confidential-Gravel-Rides und auf einem schön gelegenen Wanderparkplatz wartete Toms Familie in einer Oase aus Kaffee, Kuchen, Protein Riegeln und vor allem Wasser. Perfektes Timing. Ich füllte meine Flaschen und Energiereserven auf und probierte auch etwas vom Isotonischen Getränkepulver. Geiles Zeug. Beim Pläuschchen mit Toms Frau erzählte sie mir, dass die meisten Höhenmeter ja nun geschafft wären, nachdem ich ihr teilweise vorgeheult, teilweise vorgeschwärmt habe, wie krass die Strecke bisher war. Es sollte sich als eine kleine Unwahrheit herausstellen. 

Ich freute mich tierisch auf die 2. Hälfte der Strecke und war aufgrund der Höhenmeter, auch zu recht frohen Mutes. Laut Komoot hatte die Strecke etwa 1500hm. Ebenfalls eine kleine Unwahrheit, wie sich später herausstellen sollte.

Kurz nach dem Checkpoint traf ich auf Fredi aka @Fredi.ontheedge bei Instagram, der den Checkpoint leider verpasst hatte. Er hatte sich an einer Tankstelle die Vorräte aufgefüllt und wir fuhren nun die zweite hälfte der Strecke gemeinsam. Er, ebenfalls Musiker, ebenfalls Bassist, und ich, hatten einige interessante Gesprächsthemen. Nicht zuletzt über diese Tour, die Gegend und Fahrräder. Zu zweit machte die Strecke noch mehr Spaß. Er kannte die Gegenden teilweise schon weil er ebenfalls aus Essen stammt. Zusammen rasten wir Abfahrten herunter, schoben Anstiege hinauf. Also für 500 verbleibende Höhenmeter gehts hier immer noch ganz schön zur Sache, dachte ich. Auch er wurde von technischen defekten nicht verschont. Sein Umwerfer funktionierte nicht mehr so recht und er konnte nicht aufs kleine Ritzen schalten. Dumm gelaufen. Wir fuhren ziemlich das selbe Tempo und es war ein vergnügen mit einem Leidensgenossen diese geniale Strecke zu fahren. Bei einer weiteren, holprigen und rasanten Abfahrt kam es dann, etwa 10 bis 15km vor dem Ziel, zu meinem zweiten Plattfuß. Zum Glück hatte Fredi eine Luftpumpe dabei.

Der Schlauch hielt die Luft etwas besser als bei meinem ersten Platten und so entschied ich mich, einfach nach zu pumpen. War ja nicht mehr weit. Wie wir dann bald feststellten, war ohnehin nicht mehr viel mit fahren. Wir mussten die Räder oft schieben. Tom hat sich nämlich auf den letzten 10km ein ganz besonderes Schmankerl ausgedacht. Er nannte es auf den Kärtchen, die er liebevoll angefertigt und den Teilnehmern ausgehändigt hat, „Achtung! Wurzeln & Bach! Aufpassen!!!“ für mich ganz klar „die Hölle des Nordens“. Das Motto des Confidential-Gravel-Rides war nämlich; „Die Hölle des Nordens liegt nicht zwischen Paris und Roubaix“ Für mich nicht fahrbare, extreme Anstiege inklusive Wurzelwerk, Bachlauf, Steinen und allem was dazu gehört. Das Gefluche ging wieder los und ich fragte mich, wie man auf die bescheuerte Idee kommen kann, auf den letzten, verdammten 10km so einen Scheiß einzubauen. Im nachhinein; die Gegend war richtig schön. Aber in diesem Moment einfach nur die Hölle. 

Kurz darauf rollten wir auch schon wieder durch die Zivilisation und wieder auf den Wanderparkplatz auf dem wir gestartet sind. Mein Reifen hat mich mit minimalen Druck gerade noch ans Ziel gebracht. Ich war einfach nur froh anzukommen. Im Ziel wartete auch schon Tom und seine Familie. (Tom ist übrigens auch mit gefahren. Das konnte er sich nicht entgehen lassen. Die Gesichter der Teilnehmer bei diesen Strapazen wollte er unbedingt live sehen, sagte er selber.) Ungläubig starrte ich auf mein Wahoo, welches mir 1.956 Höhenmeter anzeigte. Das war ne Hausnummer. Trotzdem geil!

Wir bedankten uns bei ihnen für die tolle Verpflegung am Start und Checkpoint und bei Tom für das geniale scouting der Strecke. Wirklich ein toller Job. 

Damit war mein erstes, und auf gar keinen Fall letztes, Gravel Event geschafft. Was für ein geiler Tag! Dieser verrückte Ride wird noch sehr lange in Erinnerung bleiben! Danke nochmal an @Bikingtom fürs anfixen. Beim nächsten mal bin ich gerne wieder dabei! Es war mir ein Fest!

Mit dem Rad an´s Meer; Castrop-Rauxel – Scheveningen

Sommer 2019: Endlich ist es so weit. Die Vorbereitungen für meine erste, große Fahrradtour sind in den letzten Zügen und ich kann es kaum erwarten, endlich aufzubrechen.

Vorher…
Nachher.

Bevor ich mein Equipment zusammengestellt habe, hab ich mir natürlich Ratschläge von erfahrenen „Bikern“ geholt und viel gelesen. Unter anderem waren die Blogs von biketourglobal und Radelmädchen dabei sehr hilfreich. Was ist wichtig, was braucht man absolut nicht…ich habe mich dazu entschieden, ohne Kochequipment aufzubrechen. Aufgrund meiner Routenplanung (alles mit der Komoot Navi App) konnte ich mir ja sicher sein, dass ich immer wieder die Möglichkeit haben werde, mich mit Wasser und Nahrungsmitteln einzudecken. Ich bin schließlich nicht in der Wüste Gobi oder in der Mongolei unterwegs. Nachdem ich das Setup soweit zusammen hatte, habe ich alles gewogen um für mich zu wissen was auf mich zu kommt.

Nerdig!?

Tag 1

Und los geht´s; am frühen Morgen des 12. Augusts 2019 breche ich auf. Das Wetter ist perfekt. Die Sonne scheint, es ist nicht zu warm. Zwischendurch verdunkeln ein paar Wolken die Sonne. Ich starte auf mir bekannten Wegen in Richtung Meer. Erstmal gehts Richtung Recklinghausen am Kanal entlang und auf die schöne König-Ludwig-Trasse. Ein absolutes Fahrrad-Highlight der Region.

Über Recklinghausen gehts direkt über Dorsten nach Marl und immer weiter Richtung Holländische Grenze. Der Weg hinter Marl und Dorsten führt hauptsächlich über die Bundesstraße. Schön ist es nicht aber ich habe auch nichts an der schnellsten, vorgeschlagenen Route geändert. Schnell gelange ich über Feldwege und Radwege an Bundesstraßen nach Hünxe und Emmerich am Rhein, wo ich auch meine erste, größere Pause einlege.

Emmerich am Rhein

Das Wetter spielt mit und nun ist es auch nicht mehr weit bis zur „Grenze“. Ich kann es kaum erwarten und fahre weiter Richtung Meer. Mein Plan ist es, die erste Nacht kurz hinter der Grenze zu verbringen, und zwar bei Arnhem. Mein Plan geht auf und ich komme am späten Nachmittag in Arnhem an. Leider ist es hier nicht mehr so sonnig wie in meiner Heimatstadt und ich bekomme einen heftigen Schauer mit, dessen Peak ich an einer Bushaltestelle im trockenen abzumildern versuche. Es sieht so aus als hätte es sich eingeregnet. Dicke Wolken hängen über der Stadt. Google Maps frage ich nun nach einem Campingplatz in der Nähe. Mein Pech ist, dass mich der Regen in der Stadt erwischt hat. Da gibt es ja nicht so viele Campingplätze. Maps schlägt mir den nächsten Campingplatz etwas außerhalb der Stadt vor und ich mache mich auf den Weg zu Minicamping Smids in Arnhem. Was für ein Glückstreffer. Ein kleiner Bauernhof stellt eine Wiese bereit auf dem ein paar Dauercamper wohnen, ein gepflegtes Dusch- und Toilettenhaus steht und ein kleiner Pavillon mit Tischen und Stühlen um dort, bei gutem Wetter, zu verweilen. Leider hatte ich keine Lust, noch irgendwo anzuhalten um mir ein anständiges Abendessen zu besorgen. Ich hatte aber noch genug Erdnüsse und Riegel um nicht direkt zu verhungern. Nachdem ich mich angemeldet habe und einen Platz für mein Zelt, zusammen mit dem Bauern auserkoren habe, reißt der Himmel wieder auf und die Sonne scheint. Was für ein Tag. 130km sind auf dem Tacho und ich bin einfach nur Glücklich. Eine Dusche wäre jetzt genau das richtige!

Tag 2

Am nächsten Morgen breche ich früh auf. Der Regen hat aufgehört und ich will die Zeit nutzen. So richtig sonnig wirds nicht. Bereits gestern ist mir der eklatante Unterschied zu deutschen Radwegen aufgefallen. Wie luxuriös in den Niederlanden die Radwege ausgebaut sind ist einfach ein Traum. Zu deutschland einfach kein Vergleich und sehr angenehm, sicher und super ausgeschildert. Mich begleiten am zweiten Tag der Tour leider immer wieder Regenschauer. Deswegen komme ich nicht allzu gut voran. Allerdings bin ich auch nicht auf der Flucht und irgendwann fange ich an, die „Zwangspausen“ zu genießen. Ich komme „in den Flow“. Mein Weg führt mich durch wunderschöne, holländische Städtchen. Windmühlen und traumhafte Radwege liegen auf meinem Weg. Zwischendurch fülle ich meine Wasserreserven im Supermarkt auf und lege eine Pause in einem Café ein. Es ist einfach nur schön. Am Mittag kommt auch die Sonne zurück und es zieht mich förmlich an´s Ziel.

Richtung Utrecht geht es auf Traumhaften wegen weiter. Wenn man denkt, es kann ja nich mehr schöner werden, wird man doch noch eines besseren belehrt. Der Weg nach Utrecht und hinter Utrecht ist einfach Traumhaft. Die Leusder Heide durchfahre ich und mein Weg führt entlang des „Oude Rijn“ durch Dörfer und Felder. Der Radweg am „Oude Rijn“ führt direkt an diesem entlang und die Häuschen und Villen sind hübsch anzusehen. Ein absolutes Highlight der Tour ist definitiv der Weg in und um Utrecht und insbesondere der „Oude Rijn“. Meine Nacht verbringe ich heute in Woerden auf einem weiteren, kleinen Campingplatz. (Camping Batenstein) Er ist absolut Fahrradfreundlich, (wie alle Campingplätze in den Niederlanden) sehr gepflegt und günstig. Die Sonne scheint. Ich freue mich auf eine Dusche und mein Zelt, und darauf, am nächsten Tag endlich das Meer in Scheveningen zu erreichen. Tag 2 meiner Tour brachte mich auf etwa 80km und war voll mit Sehenswürdigkeiten.

Tag 3

Tag 3 der Tour bringt mich an´s Meer. Ich habe nur noch etwa 40km bis Den Haag bzw. Scheveningen und ich genieße jeden Meter. Das Wetter ist toll und ich radle auf traumhaften Wegen dahin. Zwischendurch gibts natürlich gutes Essen zum Frühstück oder Mittag. Eine lange Pause einzulegen bekomme ich allerdings nicht hin. Zu sehr freue ich mich, endlich anzukommen. Am frühen Nachmittag ist es auch endlich so weit. Etwa 10 bis 15km vor dem Ziel konnte ich bereits das Meer riechen. Oder ich hab´s mir eingebildet. Jedenfalls wurde die Landschaft etwas Maritimer und ich näherte mich Den Haag. Auch hier wieder sensationell gute Radwege und Radschnellwege. Durch die Innenstadt führte mich mein Navi zum Glück nicht. Ich fuhr direkt nach Scheveningen und freute mich auf ein Bier und Fisch&Chips an der Strandpromenade. Die Nordsee empfing mich mit bestem Wetter und ich war glücklich, aus eigener Kraft zum Meer gekommen zu sein. Was für ein Gefühl!

Den Abend verbrachte ich beim Bier am Strand und begab mich dann zum Camping Duinhorst. Ein vergleichsweise riesiger Campingplatz in der Nähe des Stadtzentrums. Preisgünstig und gepflegt. Ich besorgte noch ein paar Dosen Bier und freute mich, dass ich nun dort bin und konnte kaum erwarten, am nächsten Tag endlich meine frisch geborene Tochter und Freundin wieder zu sehen die mit dem Auto zum Hotel kommen würden.

Der Weg von Scheveningen zum Hotel waren knappe 30km, die ich aufgrund des trockenen Wetters und Rückenwind genießen konnte. Ab jetzt hieß es Urlaub mit der kleinen Familie! Die nächste Reise ist bereits in der Planung…

Den Rückweg legte ich übrigens nicht mit dem Rad zurück, was ich im Nachhinein sehr bereue. Aufgrund schlechter Wetterprognosen und einem schmerzenden Fuß (ich habe mit eingeschlafenen Zehen während der Tour zu kämpfen gehabt. Vielleicht liegt es am Rad, welches nicht genau meine Größe ist oder an meinen Sandalen…) entschied ich mich, noch einen Ausflug nach Amsterdam zu machen um dort mit dem Flixbus zurück nach Dortmund zu fahren. Auch die Tour nach Amsterdam, von Hillegom aus, ist sehr zu empfehlen und mit etwa 30km auch sehr entspannt. Das Radeln in Amsterdam habe ich mir allerdings deutlich schöner vorgestellt. Wie das Schicksal es so will ist mir auch ausgerechnet in Amsterdam mein Schloss kaputt gegangen und hat nicht mehr verriegelt. Das hieß, dass ich auch nicht wirklich Sightseeing machen konnte weil ich immer Angst um mein Rad und meine Klamotten hatte. Die Fahrt mit dem Flixbus war dafür aber Preiswert und entspannt. Ich habe recht früh gebucht und das Fahrrad bei der Buchung angegeben. Als der Bus dann angefahren kam rutschte mein Herz in die Hose als ich gesehen habe, dass der Bus keinen Fahrradanhänger hatte. Zum Glück war ich der einzige Radreisende an dem Abend und mein Rad fuhr im Gepäck-Abteil mit. Nochmal gut gegangen.

Falls du dich für die Tour interessierst und die Komoot App nutzt, habe ich HIER den Link zur Tour.

Willkommen Versuchskaninchen

Endlich ist es soweit; mein Bike-Blog erblickt das Licht der Welt…

Sommer 2019: ich erfülle mir einen Traum und fahre mit meinem Rad von der Haustür in Castrop-Rauxel nach Scheveningen in Holland an´s Meer! Eine unglaubliche Tour und tolle Erfahrung. Ich bin angefixt und die nächste, große Tour ist bereits in der Planung. Es soll wieder an´s Meer gehen. An die Ostsee. Nach Heiligenhafen.

Aber zuerst möchte ich euch hier meine Tour an die Küste Hollands aufarbeiten und als Blogbeitrag veröffentlichen. Dazu finde ich mich nun erst einmal ein in die Blogger Welt und beschäftige mich mit den Möglichkeiten die mir WordPress bietet.

Immer großes Blatt,

Maik